6. Colin
»Was genau hat sie gesagt?«
Logans Stimme klingt viel zu laut in der Stille, die sich über uns gelegt hat, seit ich angekommen bin. Ich reibe mir die Augen, bin müde von dem deftigem Abendessen und der Anspannung. Dabei habe ich kaum einen Bissen herunterbekommen.
Ich fahre mir mit den Händen über das Gesicht.
Schade, dass ihre Worte sich in mein Gehirn gebrannt haben.
»Ich glaube, wir sind uns schon mal begegnet«, wiederhole ich und kann Riley dabei vor mir sehen. Mit diesem leicht verwirrten und überraschten Ausdruck in ihren wasserblauen Augen. »In der Bibliothek an meinem ersten Tag. Du hast dir ein Buch von mir genommen. Kann das sein?«
Sie hat sich auf die Lippe gebissen, während tiefe Furchen auf ihrer Stirn entstanden sind. Und so völlig durcheinander wie sie damals wegen mir war, war ich ab diesem Moment. Das Essen und die Sticheleien sind an mir vorbeigezogen, als wäre es ein makaberer Film.
»Das waren ihre Worte?«, wiederholt Logan wieder und dreht dabei rastlose Runden um die Couchgarnitur.
»Ja, das waren exakt ihre Worte.« Ich halte einen tiefen Seufzer zurück und linse zu Juan der mit harter Miene auf seine Schuhspitzen starrt. Sogar Tessa, die meine Neuigkeit gestern nacht ganz entspannt aufgenommen hat, sitzt nun mit verschränkten Armen und schmalen Lippen auf dem Sofa.
»Nehmen wir mal an, dass ihre Erinnerungen Stück für Stück zurückkommen«, mischt Bryce sich ein, der aufsteht und zu der Hausbar seines Vaters schlendert. »Was sollen wir tun? Sie wird wohl kaum zu uns spazieren und uns zu Rede stellen, oder?«
»Sie wird wohl kaum still in ihrer Ecke sitzen bleiben, oder verschwinden«, murmelt Rachel, die ihren Wein nicht angerührt hat, seit ich angekommen bin. Mittlerweile treiben mehere Fliegen auf der Oberfläche.
»Theoretisch brauchen wir jemanden, der sich mit ihr anfreundet. Eine Bezugsperson«, sagt Tessa und fährt sich dabei mit dem Daumen über die Unterlippe, wie ich es immer tue, wenn…
Nein!
Aus, Colin!
»Möchtest du ein kleines Rileys-neue-beste-Freundin-Casting veranstalten oder stellst du dich direkt selber zur Wahl?«, feuert Juan aus dem Nichts und blickt herausfordernd zu meiner Exfreundin.
»Weder noch, du Genie. Schalt dein Kleinhirn an«, knurrt Tessa und wirft sich die dunkle Mähne über die Schulter. »Keiner von uns hat sich nach dem Unfall mit ihr getroffen oder nach ihr erkundigt. Sogar auf Instagram hat sie keine Person. Wie sehr würdest du Leuten an ihrer Stelle vertrauen, die plötzlich auftauchen?«
»Das heißt, dass du einen Erstsemester dafür bezahlen willst, dass er sich an sie dranhänt?«, will Logan nachdenklich wissen und lehnt sich in den Türrahmen, während Eis klirrt, das Bryce in ein Glas füllt.
»Nein, das wäre zu riskant. Menschen sind zu neugierig, was in unserem Fall von Nachteil sein wird. Einer von uns muss sich an sie dranhängen.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass sie sich an mich erinnert hat. Das wird bei euch nicht anders sein!«, entfährt es mir wütend und ich lasse mich in die weichen Kissen fallen.
Wie gerne würde ich darin versinken und erst in einem Jahrzehnt wieder auftauchen.
»Keine Angst Colin, wenn Tessa sich die Haare färbt, Oberteile anzieht, die wenigstens die Hälfte ihrer Brüste verdecken und sie nett ist, werden weder wir noch Riley sie erkennen.« Juan klopft mir aufmunternd auf die Schulter und schenkt mir ein kurzes Grinsen, während Tessa ihn mit einem feurigen Blick vernichtet.
»Ausgesprochen amüsant, Juan. Hast du noch etwas Sinnvolles beizutragen, oder können wir wieder ernst werden?!«
»Ich wollte deinen Vortrag nicht unterbrechen. Da dein Plan von gestern schon so wundervoll aufgegangen ist, bin ich gespannt, was für einen Wahnsinn du dir jetzt ausgedacht hast«, verkündet er mit einer provokanten Handbewegung, die Tessa steif werden lässt.
»Sehr nett von dir«, faucht Tessa.
»Hört auf euch zu streiten«, unterbricht Logan das feurige Blickduell. Juan schüttelt verärgert den Kopf, während meine Exfreundin das Kinn gen Himmel richtet. »Was hast du für eine Idee?«
»Wir wollen Informationen über das, was Riley weiß, ohne, dass sie uns sieht, korrekt?«, beginnt sie und entzieht Bryce den Whiskey. »Damit ist die Lösung doch ganz klar auf der Hand: Sie braucht einen Internetfreund.«
»Du bist verrückt«, entfährt es Juan, der die Hände in die Luft wirft.
»Was ist daran verrückt?«, will Bryce wissen. »Sie ist einsam und darum wird sie auf jedes bisschen Aufmerksamkeit anspringen, dass ihr jemand gibt.«
»Das ist eine wirklich abartige Nummer.« Juan gibt ein Schnauben von sich und schüttelt wehemennt den Kopf, als könne er so diesen Plan zerstören.
»Abartig, aber effektiv«, stimmt Logan zu, der seine Hände in den Taschen der Stoffhose vergräbt. »Anonymität lässt die Hemschwelle sinken. Sie würde dem Fremden erzählen, was ihr durch den Kopf geht.«
»Und mit etwas Glück auch, woran sie sich erinnert«, fügt Rachel nickend hinzu und beginnt die toten Fliegen aus dem Wein zu fischen.
»Sie würde ihn vielleicht sogar fragen, wie er damit umgehen würde.« Bryce nickt und betrachtet Tessa, als hätte sie den Alkohol erfunden.
»Brillianter Plan«, stimmt Juan zu und klatscht langsam in die Hände, woraufhin die anderen genervt die Augen verdrehen. »Dann wünsche ich euch viel Glück dabei, den Fremden zu überreden. Ich glaube nämlich nicht, dass er das tun wird.«
»Was welcher Fremder?«, will ich verwirrt wissen und starre zwischen meinen Freunden hin und her.
Ich habe einen wichtigen Punkt verpasst, aber ich weiß nicht, welcher.
»Komm schon, Colin«, schnaubt Bryce verärgert. »Es gibt genau einen Kerl in diesem Raum, der Riley dazu kriegen könnte.«
Und dann sind alle Augenpaare auf mich gerichtet.
Mein Gehirn arbeitet.
Logan presst die Lippen zusammen und starrt auf das Glas, das Tessa in der Hand hält. Neben mir ballt Juan die Hände zu Fäusten und Rachel mustert mich eingehend.
Dann fällt der Groschen.
»Auf keinen Fall!«, kopfschüttelnd springe ich auf und gehe auf Abstand zu all den anderen.
»Ich habe es euch ja gesagt«, brummt Juan, als ich hinter das Sofa trete und beginne umherzulaufen, wie Logan es zuvor getan hat.
»Tu nicht so, als wäre es eine Überraschung«, murrt Rachel. »Die einzige Person in diesem Raum, die mit ihr auf einer Wellenlänge war, bist du.«
Meine Augen sausen zu Logan, dessen Gesicht bittere Züge annimmt. Ein falsches Lachen umspielt seine Lippen, als er Tessa das Glas entzieht und es in einem Schluck leert. Erst dann blickt er zu mir und das Blut in meinen Adern gefriert.
»Du hast es verbockt, Colin. Bekomm den Scheiß auf die Reihe und hör auf dir in die Hosen zu machen«, knurrt er und verlässt das Zimmer. Bryce und Tessa folgen ihm, strafen mich mit Ignoranz.
Sie sind sauer.
Wie gut, dass sie nicht wissen, wie viel Schuld ich eigentlich an dem ganzen Chaos habe.
Meine Nacht war zu kurz. Zwar bin ich nach dem unmöglichen Vorschlag von Tessa verschwunden, doch an Schlaf war nicht zu denken. Jedes Mal, wenn ich kurz vorm Einschlafen war, haben mich Erinnerungen oder mein schlechtes Gewissen heimgesucht und als ich dann endlich im Land der Träume war, wurde es noch schlimmer.
Alpträume sind eine der grauenvollsten Dinge, der Psyche.
Und ich bin mir sicher, dass die folgende Nacht nicht besser wird. Das stundenlange Stapeln und ordnen von Akten kann nicht gut sein für den Seelenfrieden. Schon gar nicht, wenn ich daran denke, dass ich mich mit dem Zeug den Rest meines Lebens beschäftigen soll.
Müde fahre ich mir mit den Händen durch das Haar und nehme einen weiteren Schluck aus der Kaffeetasse, die vor mir steht.
»Du siehst heute sehr müde aus«, kommentiert Bruce, der irgendwelche Gesetzbücher wälzt. Er wirft mir einen kurzen Blick zu und greift dabei selber zu der Koffeeinwaffe.
»Hab schlecht geschlafen«, erwidere ich murmelnd und meide seinen Blick. Das schlechte Gewissen sprudelt sofort wieder hoch und die Buchstaben verschwimmen vor meinem Auge.
»Du solltest nächtes Mal lieber etwas länger schlafen, anstatt so viel Kaffee zu trinken.«
»Das sagt der Richtige«, gebe ich mit einem schmalen Grinsen zurück und schaue zu dem Geschäftpartner von meinem Dad, auf dessen Gesicht der Schalk steht.
»Keine Ahnung, wovon du sprichst«, erwidert er mit ahnungsloser Miene, wobei ihn das Zucken der Mundwinkel verrät.
»Irgendwann werde ich den Kaffee durch koffeinfreien ersetzten«, brumme ich und tue so, als wäre ich noch auf die Akte vor mir fixiert. Dabei ist mein Kopf schon längst im Ruhemodus und kann nichts mehr verarbeiten.
»Ich hoffe doch, dass das keine Drohung ist. Andererseits müsste ich dich verklagen und wir wissen, dass du keine Chance hättest.« Bruce wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
»Hochmut kommt vor dem Fall«, erwidere ich spitz und ernte ein schallendes, ehrliches Lachen, das ansteckend ist.
»Für einen unbedeutenden Studenten hast du eine ziemlich große Klappe«, murmelt Rileys Dad und lockert seine Krawatte, die er sich über den Kopf zieht und mit einer lässigen Handbewegung neben seinen Stapel befördert. Während ich angestrengt versuche den Namen des Klienten zu lesen, sehe ich im Augenwinkel, wie Bruce seine Ärmel hochkrempelt und mich dabei beobachtet. Ich schlucke schwer, spüre den inneren Druck, der sich in solchen Momenten in mir anstaut.
Leider beginnt mein Kopf dadurch nicht besser zu arbeiten.
Nervös befeuchte ich mit der Zunge meine Lippen und greife nach der Akte, um so zu tun, als würde ich sie einordnen wollen. Doch bevor ich sie ablegen kann, wird sie mir abgenommen. Ich schaue auf und sehe Bruce mit nachdenklichem und besorgtem Blick vor mir stehen.
»Falscher Stapel«, informiert er mich und korrigiert. Ich presse die Lippen zusammen und will die nächste Seite aufschlagen, doch der ältere Mann legt bestimmend seine Hand darauf und zwingt mich so dazu ihn anzuschauen.
Ziemlich beschissen, weil er fast die gleiche Augenfarbe seiner Tochter hat.
»Was hältst du davon, wenn ich den Rest übernehme und du Schlaf nachholst?«, schlägt er vor. »Du hast genug für heute getan und ich werde deinem Dad auch nicht verraten, das wir uns verbündet haben.«
Ein feines Lächeln liegt auf seinen Lippen, als er den restlichen Stapel vom Tisch nimmt und auf seinen legt.
»Ich kann…«
»Ich weiß, dass du das durchziehen würdest«, unterbricht er mich. »Aber du bist noch immer Student und es ist nicht deine Pflicht hier zu sitzen.«
Wie schade, dass mein eigener Vater das anders sieht.
»Sieh zu, dass du ins Bett kommst. Es ist schon halb neun«, fordert er ein weiteres Mal und beginnt die erste Akte aufzuschlagen.
Verdammt.
Jetzt sitzt er noch länger hier und macht meine Arbeit, anstatt seinen eigenen Stapel abzuarbeiten. Dann wird er wieder bis spät in die Nacht arbeiten und…
»Hör auf dir so viele Gedanken zu machen«, werde ich unterbrochen und er wirft mir einen kurzen Blick zu. Ich nicke langsam, weiß, dass ich gegen ihn keine Chance habe. Nicht nur, weil ich wesentlich schlechter argumentieren kann, sondern auch, weil seine herzliche Art entwaffnend ist.
Wenn mein Dad bloß so wäre.
»Okay«, murmle ich und rolle den Stuhl zurück. Meine steifen Muskeln protestieren, als ich aufstehe und mein Hemd nehme auf das mein Dad bestanden hat. Zum Glück war nur Bruce hier, dem es egal ist, was ich trage. Darum habe ich das T-Shirt übergezogen, das ich vorsichtshalber mitgenommen habe. »Dann bis Morgen.« Zum Abschied hebe ich meine Hand und drücke die Tür in die Freiheit auf.
»Colin!«
Die Furcht und Anspannung in Bruce Stimme lässt mich herumwirbeln. Der Mann, den ich für seine Stärke bewundere, sieht mit einem Mal verunsichert aus. Das macht mich schlagartig wach.
»Ja?«, sage ich behutsam und beobachte, wie er sich langsam umdreht. Er hat die Augen geschlossen, als müsste er mit sich selber ausmachen, ob er das was er denkt, aussprechen will. Rastlos fährt er sich über den Bart, ehe er die Augen öffnet und mich einen ewigen Moment betrachtet.
»Ich mache mir Sorgen um Riley.«
Ein Dolch durchsticht meine Lungen.
Ich sollte etwas sagen, doch es geht nicht. Ich tue so, als wüsste ich nicht, was er meint, erzwinge einen fragenden Ausdruck, obwohl mir nach Schreien zumute ist.
»Sie ist so still und zieht sich die ganze Zeit zurück. Karina, ihre Mutter, hat schon mit ihr gesprochen, aber…«, er verschluckt die letzten Wörter. Bruce presst die Lippen zusammen und vergräbt die Hände in den Taschen seiner schwarzen Anzughose. »Ich wollte fragen, ob du dich ein wenig um sie kümmern könntest.« Sein flehender Blick saust zu mir, presst mir die Luft aus den Lungen.
Shit. Shit. Shit. Shit!
Ich will ihm ausweichen, sollte mich rausreden und schnellstmöglich verschwinden, aber ich kann mich nicht lösen.
Verflucht, der Kerl ist der Einzige, mit dem ich mich verstehe.
»Ich weiß, dass es sehr viel verlangt ist, aber du bist so selbstbewusst und kennst dich aus. Wenn du sie die ersten Tage begleiten und ihr Leute…«
»Klar«, unterbreche ich ihn. »Ich pass auf sie auf.«
Gewichte scheinen von Bruce Schultern zu fallen und er nickt langsam, wobei die Sorge aus seinen Zügen verschwindet.
»Danke«, murmelt er mit einem ehrlichen, aber müden Lächeln.
Bestimmt hat er sich seit Tagen Gedanken darum gemacht und bis zur letzten Sekunde überlegt, ob und wie er mich darauf anspricht.
Eine Sekunde schaue ich ihn an, dann verlasse ich das Büro und schließe die Tür hinter mir. Das schlechte Gewissen hat sich leider an meine Fersen geklebt und anstatt, dass ich nun in Ruhe schlafen gehen kann, habe ich das nächste Problem.
Kann diese Woche nicht wenigstens eine einzige Sache vernünftig laufen?!
Um keinen zu begegnen, laufe ich mit schnellen Schritten durch das Haus und über die Terrasse. Meine Ohren sind gespitzt, lauschen nach Kinderlachen, das ich heute nicht ertragen könnte, doch ich bleibe verschont. Eine gewaltige Spannung fällt von mir ab, sobald ich die Tür hinter mir zugezogen habe und in meiner Wohnung stehe.
Ich lasse den Kopf gegen die Tür fallen und stoße hart Luft aus.
Obwohl ich eben schon der festen Überzeugung war, dass ich mit meinen Kräften am Ende bin, scheint es so, als hätte die kurze Konversation mit Bruce noch eins draufgesetzt. Müde schlendere ich durch das Loft, wobei das Hemd auf dem Sofa landet. Morgen Früh wird es mit Sicherheit völlig zerknittert sein und Ms. Porter wird mich mit bösen Blicken strafen. Doch das ist völlig egal, weil mich nach diesem Tag ein einziger Gedanke beherrscht.
Wasser.
Ich brauche eine Auszeit.
Sofort.
Im Gehen streife ich die Schuhe ab und ziehe mir das T-Shirt aus, das ebenfalls achtlos zu Boden geht. Mit den Fingern ziehe ich das Handy aus meiner Hosentasche und reiße gleichzeitig die Vorhänge zur Seite. Auf dem Display blinken zig Nachrichten auf, die ich nicht lesen will. Kopfschüttelnd will ich die Tür öffnen, als ich jemandem auf meinem Steg sitzen sehe.
Meine Muskeln werden starr, während meine Augen über die junge Frau gleiten, die in ein Buch vertieft ist. Die straßenköterblonden Haare sind locker hochgesteckt und einige Strähnen haben sich bereits gelöst. Ihre braune Haut wird größtenteils von einer gestreiften Bluse verhüllt, die in dem hohen Saum einer Jeansshort endet. Ihre Beine baumeln langsam hin und her und obwohl ich es nicht sehe, bin ich sicher, dass ihre Zehnspitzen nicht das Wasser berühren.
Hinter ihr hat sich der Himmel bereits verfärbt und die ersten Mückenschwärme sammeln sich, doch Riley scheint das nicht zu bemerken.
Sie wird nicht von diesem Buch aufschauen, bis sie das Ende kennt.
Ich glaube, dass nicht einmal ein Feuerwerk sie ablenken könnte.
Meine Mundwinkel zucken von selber. Ich kann nichts gegen das feine Lächeln tun, das sich auf mein Gesicht schiebt, während ich die Träumerin beobachte, die ihre Brille zurück auf die Nase schiebt.
Wie oft habe ich ihr gesagt, dass sie die anpassen lassen muss, damit sie ihr beim Lesen nicht von der Nase fällt?
Meine Hand gleitet von der Türklinke und ich lasse den Vorhang wieder etwas zufallen, um dahinter zu verschwinden. Es kribbelt in meinen Fingerspitzen, als ich das Handy entsperre und den Chat mit Juan öffne. Ich zögere keine Sekunde und klicke den Link an, den er mir kommentarlos geschickt hat.
Instagram öffnet sich und plötzlich bin ich auf einem fremden Profil, das weder Follower hat noch irgendwem folgt. Obwohl das Profilbild von just.a.girl lediglich eine Silhouette zeigt, weiß ich, wer sich hinter dem neuen Namen versteckt. Vielleicht, weil ihr Dad das Foto als Hintergrundbild auf seinem Laptop hat. Der einzige Unterschied ist, dass da noch ihre Mutter drauf ist.
Ich öffne das einzige Bild, das sie hochgeladen hat, und betrachte den Titel des Buches. Dann huschen meine Augen zu den Kommentaren und Likes – und finden keine. Mein Magen zieht sich zusammen und ich gehe zurück, um nicht weiter darüber nachzudenken.
Wie einsam muss es sich anfühlen, wenn sich keiner bei einem meldet?
Hat sie sich deswegen entschieden komplett anonym zu bleiben?
Ich linse aus dem Fenster zu der jungen Frau und dann wieder auf das Display, wo meine Augen an einer Frage hängen bleiben, die in ihrer Beschreibung steht.
Was ist dein Lieblingsbuch?
Meine Gedanken sausen zu Bruce, dann zu Juan und Tessa. Erinnerungen, Gesprächsfetzen und Gefühle prasseln auf mich ein, während ich vor dem Fenster in meiner Wohnung hocke.
Sie alle verstummen, als ich aufblicke und Riley anschaue.
Riley, die den ganzen Tag alleine ist.
Verdammt.
Warum tue ich so, als hätte ich eine Wahl? Es gibt nur eine Sache, die ich tun kann, um es allen Recht zu machen. Dennoch schlägt mir das Herz bis zum Hals.
Vielleicht, weil ich ahne, was das für Konsequenzen haben könnte.
Und die gefallen mir ganz und gar nicht.
Sorry, dass die beiden Kapitel erst jetzt kommen, aber ich hatte letzten Sonntag erst kein Internet und war dann bis spät abends unterwegs und wollte nur noch schlafen. Am Montag hab ich’s dann versemmelt und darum habe ich mir gedacht: Dann gibt es Sonntag einfach zwei Kapitel für euch 🙂 Ich hoffe, dass bei euch alles im Lot ist und wir lesen uns wieder am Sonntag!